Gefährdung der Ringelnatter-Populationen

Die Ringelnatter (Natrix natrix) ist regional für alle sieben Naturräume Nordrhein Westfalens als gefährdet eingestuft [Feldmann & Geiger 1986].

Die Sensibilisierung durch die Umweltschutzbewegung bewirkte eine größere Toleranz gegenüber der Ringelnatter, allerdings wirkt sich das bei stetig fortschreitender Lebensraumvernichtung kaum positiv auf die Bestände aus. Seit der Jahrhundertwende sind Beobachtungen 'Dutzender, sich paarender Ringelnattern' und 'Knäuel von Schlangenleibern' eine große Ausnahme geworden.

Aktuelle Situation

1. Vernichtung und Veränderung des (Ringelnatter-) Lebensraumes

In den Ballungsräumen sind viele Pflanzen- und Tiergesellschaften und mit ihnen auch die Ringelnatter heute gezwungen auf immer kleiner werdenden, mehr oder weniger naturnahen Flächen zu überleben.

Um sich vor Augen zu führen, in welchem Ausmaß Landschaft verbaut wird, lohnt es sich, die statistischen Jahrbücher der Kreise und Gemeinden zu lesen. Aus den Statistischen Jahresberichten der Stadt Wuppertal (1975 u. 1989/90) geht hervor, dass hier von 1975 - 90 durchschnittlich alle 3 Tage die Fläche eines Fußballplatzes verbaut wurde (f 62 ha jährlich). Immer mehr Bedeutung kommt deshalb gerade in Ballungsräumen den Restlebensräumen zu.

2. Bedeutung von Straßen für Ringelnatter-Populationen

Die Zerschneidung der Ringelnatter-Lebensräume durch Straßen bedroht die Populationen aus zwei Gründen:

a. Auch stark genutzte Straßen in Bachtälern werden von Ringelnattern während saisonaler Wanderungen überquert [Völkl 1991]. In Wuppertal werden dabei hauptsächlich Jungtiere und Männchen überfahren [Eckstein unveröffentl.].

b. als zweite Gruppe trifft es Tiere, die sich zur Thermoregulation auf wenig befahrenen Straßen aufhalten. Der dunkle Straßenbelag nimmt die Wärme schnell auf und speichert diese. Hier besteht die Gefährdung durch den Autoverkehr hauptsächlich in den Morgen- und Abendstunden [Völkl 1991, Eckstein unveröffentl.].



Wachsende Kenntnis zu Lebensräumen und -gewohnheiten der Ringelnatter ermöglicht bedingt die Kompensation negativer Auswirkungen.

Da die Vernichtung von naturnahen Lebensräumen (ein großes Problem in Ballungsgebieten, weil die Städte immer weiter zusammenwachsen) permanent fortschreitet und auch für absehbare Zeit keine Änderung der Situation zu erwarten ist, verbleibt realistisch betrachtet nur noch die Möglichkeit, den "Rest"-Lebensraum so zu verändern (gestalten), dass eine hohe Diversität an Pflanzen- und Tiergemeinschaften erhalten bleibt.

Der Aktionsraum der Ringelnatter setzt sich aus einer Vielfalt biotischer und abiotischer Faktoren zusammen, die für die Population von unterschiedlich starker Bedeutung sind. Die Kenntnis dieser Elemente lassen (in Grenzen) einen Rückschluß auf Maßnahmen zur "Verbesserung" vorhandener Lebensräume zu.

Gewässer spielen für den Fortpflanzungserfolg von Amphibien-Populationen eine wichtige Rolle. Da Amphibien die hauptsächliche Nahrung hiesiger Ringelnattern bilden [z.B. Eckstein 1993, Hemmer 1955, Mertens 1992] sind deren Laichgewässer und Landlebensräume wichtige Bestandteile von Ringelnatter-Habitaten.

Gewässer sollten am Ufer natürlichen Bewuchs als auch submerse Vegetation aufweisen [Mertens 1992]. Der Autor weist auch darauf hin, dass von Ringelnattern der Wasserkörper zur Thermoregulation genutzt wird. Im Sommer hielten sich bei kühlen Abend- oder Nachttemperaturen einzelne Tiere im Wasser auf, das wärmer als der Boden war.

Juvenile Ringelnattern benötigen zur Jagd auf Molchlarven und Kaulquappen Flachwasserzonen und Tümpel, die eine Wassertiefe von etwa 5 - 20 cm aufweisen.

Wichtig sind vielfältig geformte Uferbereiche, die sowohl Sonnplätze als auch Versteckmöglichkeiten bieten. Anthropogene Belästigungen dürfen nur minimal sein (keine Wanderwege am Uferrand, (Zer-)Störungen durch Angler auf kleine Bereiche einschränken).

Sommerlebensraum: Den Sommerlebensraum der Ringelnatter bilden Feuchtwiesen, extensiv genutzte Weiden, sonnenexponierte Hangbereiche und lichte Laubwälder, in deren Nähe sich meist Teiche, Tümpel, Gräben, langsam fließende Bäche oder Flüsse mit Stillwasserzonen befinden.

Als Ruhe- und Sonnplätze nutzt die Ringelnatter häufig vegetationsarme Bereiche, Totholz, Steine und abgestorbene Vegetation sowie Mist-, Kompost- und Mahdhaufen, in denen Gärungswärme ein feuchtwarmes Klima geschaffen hat. Gemieden werden vegetationsfreie Flächen [Eckstein 1993, Mertens 1992].

Strauchsäume besitzen als Wanderstrecken und Versteckmöglichkeiten eine wichtige Funktion, dabei kommt den dornenbewehrten Brombeeren (Rubus fructicosus agg.) und Himbeeren (Rubus ideaus) eine besondere Rolle zu [Mertens 1992].

Die "Home Range's" mehrerer Tiere können sich mehr oder weniger überschneiden [Eckstein 1993, Madsen 1984, Mertens 1992], auch konnten bei der Ringelnatter bisher keine intraspezifische Aggressionen und Kommentkämpfe beobachtet werden [Eckstein 1993, Kabisch 1978]. Die Faktoren zur Limitierung der Populationsgröße müssten noch weiter untersucht werden.


Diskussion
Ringelnatter als Kulturflüchter ?

Es scheint für die Ringelnatter kein Problem darzustellen, teilweise oder vollständig anthropogen geformte Lebensräume anzunehmen [Mertens 1992, Eckstein 1990 u. 1993]. So lebt eine Population in Marburg in dem künstlich angelegten Teil des Botanischen Gartens [Mertens 1992]. Wie weiter oben bereits geschrieben, werden zur Hibernation und Eiablage häufig menschlich geschaffene Möglichkeiten aufgesucht. Deshalb trifft meiner Ansicht nach die Bezeichnung Kulturflüchter keinesfalls zu, obwohl die Ringelnatter auf häufige Störungen in ihrem Lebensraum negativ reagiert [Ritter schriftl. Mitt. 1990, Eckstein 1990 u. 1993].

Veränderungen des Ringelnatter-Lebensraumes

Nach der letzten Eiszeit wird die Ringelnatter hauptsächlich in den breiten großen Flusstälern und in Sumpfgebieten gelebt haben, wobei im Bergischen Land letztere eher selten anzutreffen waren.

Vom 6. bis 13. Jahrhundert wird die Ringelnatter durch großflächige Rodungen eine starke Vergrößerung der von ihr bewohnbaren Flächen erfahren haben.

Aus der Literatur von 1830 bis 1900 ist zu ersehen, das die Ringelnatter trotz noch vorhandener 'Wildniß' anthropogen geschaffene Möglichkeiten wie Misthaufen, Ställe, Gehöfte etc. zur Eiablage und Überwinterung aufsuchte.

Heutzutage ist in weiten Bereichen ein Rückgang der Ringelnatterpopulationen zu beobachten.

Meiner Ansicht nach hat die Ringelnatter durch Ackerbau und Weidewirtschaft vermutlich bis Anfang/Mitte dieses Jahrhunderts nicht nur im Bergischen Land durch Schaffung vielfältiger Strukturen und Habitattypen einen größeren Raum nutzen können als vor der Besiedlung, aber inzwischen durch Verbau riesiger Flächen, Änderung der landwirtschaftlichen Arbeitsweise, Flurbereinigung, Verbau und Vergiftung von Flüssen und Umwelt große Einbußen hinnehmen müssen.

Zusammenfassung

Die Ringelnatter lebte in der Frühzeit wahrscheinlich in und an Flußtäler. Der Lebensraum ist durch Aufgabe des Nomadentums, dem Ende der Völkerwanderungen etwa mit dem 6. Jahrhundert, durch Rodungen für Ackerbau und Viehzucht enorm vergrößert worden.

Im 19. Jahrhundert kommt die Ringelnatter trotz regionaler Verfolgung noch häufig vor und nutzt in diesem Zeitraum bereits Gehöfte, Keller, Ställe und Misthaufen zur Eiablage und Überwinterung.

Starke negative Veränderungen traten etwa ab Mitte dieses Jahrhunderts durch Überbauung großer Flächen, Veränderungen der landwirtschaftlichen Arbeitsweisen, Flurbereinigung, Regulierung und Vergiftung von Flüssen ein.

Zumindest in Ballungsgebieten bleibt nur die Möglichkeit offen, Ringelnatter-Lebensräume nach deren Bedürfnisse, soweit bekannt, zu gestalten und auszustatten um negative Einflüsse zu kompensieren.

Aus: Eckstein, H.-P. [1993]. Lebensraumveränderungen und Schutz der Ringelnatter im Bergischen Land - In: Gruschwitz, Kornacker, Podloucky,Völkl & Waitzmann (Hrsg): Mertensiella, Bd. 3, Verbreitung, Ökologie und Schutz der Schlangen Deutschlands und angrenzender Gebiete, S.199-210, Bonn.
 
 


 
Last Update 17.03.2012